Fachkräftemangel contra Mobbing

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Der demografische Wandel erfordert ein neues Führungsverständnis

Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel einerseits und die vielfach zu beobachtende Zerstörung der Arbeitsfähigkeit und Leistungsmotivation durch Mobbing und unprofessioneller Führung wurden in einer Veranstaltung der Mobbing Beratung München und des Bundesverbandes Initiative 50Plus in München ausführlich zur Sprache gebracht. 

Die demografische Entwicklung und die Veränderungen im Rentenrecht führen dazu, dass der Anteil der Generation 50Plus an der Erwerbsbevölkerung noch nie so hoch war wie heute. Gleichzeitig werden die Berichte über den Fachkräftemangel in der Wirtschaft immer lauter. Demgegenüber stehen vermehrt Klagen älterer Beschäftigter über fehlende Wertschätzung und Konflikte gerade mit jungen „Chefs“. 

Um diesem Dilemma zu entkommen, ist ein realer Blick auf die Situation und in vielen mittelständischen Unternehmen ein verändertes Führungsverständnis erforderlich: Wertschätzende Führung, Anerkennung der Erfahrung, angemessene Herausforderungen und Lernfelder für ältere Beschäftigte. Dies war das einhellige Fazit der Referenten und der intensiv mitdiskutierenden Teilnehmern aus Betrieben sowie öffentlichen und sozialen Institutionen.

Hermann-Josef Kracht , Direktor  Geschäftsentwicklung beim Bundesverband Initiative 50plus e.V., erläuterte den demografischen Wandel und seine Auswirkungen auf die Unternehmen.

„Unser Bundesverband ist ein gemeinnütziger Verein und hat die Zielsetzung die Interessensvertretung der Menschen 50Plus zu sein. Arbeitsmarktpolitisch möchten wir erreichen, dass die Menschen 50Plus so lange wie möglich im Arbeitsprozess verbleiben können. Dies bedeutet, dass ein Umdenkungsprozess in der Gesellschaft, in der Politik, in den Kommunen, in den Unternehmen und bei jedem Einzelnen erreicht werden muss, damit wir diese Herausforderungen positiv bewältigen können. Die ersten Auswirkungen des demografischen Wandels spüren wir schon jetzt, denn in einigen Branchen können Fachkräfte nicht mehr verpflichtet werden. Auch bei den Auszubildenden konnten 2014 ca. 20.000 Stellen nicht besetzt werden. Dies wird sich in diesem Jahr noch verschärfen. Deshalb sage ich, dass sich die Personalverantwortlichen neu erfinden müssen. Die bekannte Aussage, dass die Mitarbeiter das wertvollste Gut unseres Unternehmens sind, wird zukünftig in den Mittelpunkt des Handelns in den Unternehmen gestellt werden müssen. Hier gilt es, die Mitarbeiter zu halten, ihre Potentiale zu erkennen und zu fördern. Des Weiteren muss neuen Mitarbeitern mehr geboten werden als nur das Gehalt.

Es gibt bereits einige Unternehmen, die erkannt haben, wie wichtig Menschen 50Plus für die Unternehmen sind. Leider gibt es aber immer noch Unternehmen, die diese Mitarbeiter nicht wertschätzen und wegen zu hoher Kosten durch jüngere Mitarbeiter austauschen. Mit Initiative Arbeit 50Plus möchten wir eine höhere Sensibilität für die Wertschätzung der Menschen 50Plus in Unternehmen erreichen und einen Weg aufzeigen, wie sie mit der Herausforderung des demografischen Wandels positiv umgehen sollten. 

In Deutschland haben wir ein Führungsproblem, das durch den demografischen Wandel verschärft wird. Leider werden die Möglichkeiten einer Mediation oder einer Mobbing-Beratung nicht ausreichend genutzt.“

Ludwig Gunkel, Diplom-Psychologe bei der Mobbing Beratung München / Konsens e.V. und Demografie-Berater (INQA) berichtete über Erfahrungen der Beraterinnen und Berater zu diesem Problemfeld. In der Beratung gerade älterer Beschäftigter werden die Probleme und Konflikte am Arbeitsplatz, denen diese ausgesetzt sind, sehr deutlich.

„Trotz des von der Wirtschaft vielfach beklagten Fachkräftemangels wird mit den in den Betrieben vorhandenen älteren Beschäftigten häufig wenig pfleglich und respektvoll umgegangen. Unsere Erfahrungen in der Beratung von Beschäftigten und bei der Konfliktberatung in Betrieben will ich in 10 Thesen zuspitzen: 

  1. Die Erfahrungen langjähriger Beschäftigter und ihre bisherige Lebensleistungen werden, häufig unbedacht, nicht hinreichend wertschätzend gewürdigt oder gar abgewertet. 
  2. Junge / jüngere und neue Führungskräfte haben häufig unrealistische Ansprüche und Anforderungen an ältere Beschäftigte. Auf die vorhandenen Kompetenzen und die Grenzen wird zu wenig Rücksicht genommen. Folge ist: Zum Wertschätzungskonflikt kommt der falsche Arbeitseinsatz. 
  3. Ältere lernen anders: die spezifischen Lernmöglichkeiten älterer Beschäftigter findet zu wenig Beachtung. 
  4. Veränderungen werden im Hinblick auf ihren Sinn und ihre Bedeutung zu wenig begründet. Gerade langjährig Beschäftigte haben schon sehr viele Veränderungen erlebt und reagieren mit einer erfahrungsgeprägten Skepsis. 
  5. Allerdings: Ältere Beschäftigte reagieren schneller und unreflektierter mit Abwehr gegen Veränderungen. 
  6. Der Wunsch nach Partizipation, einbezogen und gefragt zu werden und umfassender Information wird vielfach missachtet. Das wird von Älteren schneller als fehlender Respekt wahrgenommen. 
  7. Unangemessenes, wenig sensibles Führungsverhalten junger Vorgesetztergepaart mit Abwehr- und Kränkungs-Reaktionen der älteren Mitarbeiter/innen, führt vermehrt zu eskalierenden Konflikten. 
  8. Teilweise werden ältere Beschäftigte gezielt „hinausgemobbt“, um Platz für jüngere, passender ausgebildete und / oder billigere Beschäftigte zu schaffen.
  9. Traditionelle – tief in der Psyche / der Seele verankerte – Werte werden auf den Kopf gestellt: Früher waren die Alten die Weisen, heute sind sie ein Innovationshemmnis.
  10. Veränderte Anforderungen und Belastungenquasi als „Naturgesetz des globalen Wettbewerbs“ zu apostrophieren, greift bei den „Alten“ weniger.  

Darum sollten sich gerade Klein- und Mittelbetriebe sowie öffentliche und soziale Organisationen kompetente Beratung holen, um die Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und konstruktiv zu lösen.“ 

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